In der Beratung von räumlich oder organisatorisch verteilten Organisationseinheiten, Matrixteams oder Projektteams, sind wir immer mit dem Phänomen der Distanz konfrontiert. Das Ziel in der Beratungsarbeit ist dabei, Produktivität und Arbeitszufriedenheit auch in diesen Teamkonstellationen sicherzustellen bzw. zu verbessern. Die erlebten Defizite in der praktischen Zusammenarbeit werden in aller Regel zum Teil auf die empfundene Distanz zwischen den Mitgliedern der Organisationseinheit zurückgeführt.
By Hans Gärtner, Stephan Dohrn (Radical Inclusion) und Udo Kronshage (osb international systemic consulting)
In unserem Blogpost über das „New Normal“ haben wir bereits angesprochen, dass ein wesentlicher Faktor dabei die Form der Zusammenarbeit ist, die hauptsächlich über virtuelle Tools stattfindet.
Virtuelle Zusammenarbeit bietet weniger kommunikative Bandbreite …
Schon auf den ersten Blick besteht zwischen virtuellem Arbeiten und Distanz ein sehr enger Zusammenhang. Die neuen Arbeitsformen haben gemeinsam, dass Kommunikation mittels Technik erfolgt. Das gilt für mündliche Kommunikation und für die schriftliche Übermittlung von Inhalten. Der Kommunikationskanal über Technik ist „dünner” als der gefühlt „dickere” Kanal, wenn wir mit Personen Face-to-Face zusammen sind. Deshalb fühlen wir uns durch die technischen Medien sozial distanziert. Meist sind wir während der Zusammenarbeit über virtuelle Medien auch örtlich von unseren Kommunikationspartnern getrennt (Wir sprechen hier nicht von den WhatsApp–Nachrichten, die zum Partner auf die andere Seite des Esstisches gesendet werden :-).
… aber technische Medien eröffnen auch eine vorher nicht mögliche Kooperationsdichte!
Durch die Arbeit über technische Medien wird manche Zusammenarbeit überhaupt erst möglich, die auf dem sog. analogen Weg gar nicht stattfinden könnte. Über große räumliche Distanzen hinweg verteilte Teams sind inzwischen in vielen Organisationen Alltag*. Kooperationsformen differenzieren sich immer stärker aus, Organisationsgrenzen werden durchlässiger. Die damit verbundenen virtuellen Settings werden mal als mehr, mal als weniger zuträglich für die Erledigung der Aufgaben angesehen, die ein Team zu leisten hat.
Die Corona-bedingte Teilung von Teams bringt zusätzliche Virtualisierung der Zusammenarbeit
In der aktuellen Situation entstehen verteilte Teamsituationen auch an ein und demselben Standort. Ein Teil der Mitarbeiter*innen ist im Büro, ein Teil desselben Teams arbeitet im Homeoffice. Dann wird gewechselt. Für viele ist das eine ganz neue Erfahrung des verteilten Arbeitens. In vielen Fällen taucht auch hier eine Beschreibung von Distanzphänomenen auf, wenn über die gemeinsame Arbeitssituation gesprochen wird: „Irgendwie geht der Kontakt verloren“, „Ich fühle mich manchmal einsam“, „Ich habe das Gefühl, ich kriege nicht mehr alles mit“.
Effektive Zusammenarbeit erfordert einen gemeinsamen Kontext.
Ohne das Gefühl der Zugehörigkeit kann man nicht abgestimmt an dem gleichen Ziel arbeiten. Wenn es kein Basisvertrauen gibt, entstehen Missverständnisse schneller und diese haben schädlichere Auswirkungen. Wenn die Zusammenarbeit leidet, sinken auch Produktivität und Zufriedenheit. Wenn das eintritt, vergrößert sich die Distanz im Team noch mehr. Ein Teufelskreis entsteht. Doch wie kommt man aus einer solchen Dynamik wieder heraus?
Bevor man in der verteilten Arbeitssituation Aktivitäten unternimmt, um die Distanz zu überwinden, lohnt es sich, das Distanzphänomen näher zu beleuchten. Das wollen wir in diesem Beitrag tun.
Distanzerleben speist sich aus unterschiedlichen Quellen!
In der Beratung arbeiten wir mit einem Modell, dessen Begrifflichkeiten von Karen Sobel Lojeski, Ph.D., Chief Executive Officer of Virtual Distance International und Richard R. Reilly, Ph.D., Professor, Howe School of Management, Stevens Institute of Technology geprägt sind. Die Autoren verwenden den Begriff “Virtuelle Distanz” und definieren diese als „…the perceived distance between two or more individuals, groups, or organizations that is brought on by the persistent and pervasive use of electronic versus face-to-face communications.“
Wichtig ist in dieser Definition die Bezeichnung der wahrgenommenen Distanz! Denn, man kann subjektiv auch bei längeren Zeiträumen der Trennung oder größeren räumlichen Entfernungen durchaus auch wenig Distanz zum Kommunikationspartner empfinden. Es geht um die Quellen, aus denen die eigene Sicht der vorhandenen Distanz gespeist wird. Sie korreliert oft mit den praktisch erlebten Zusammenarbeitsproblemen. Je größer die empfundene Distanz, desto mehr Probleme werden im Team erfahren durch auftretende Missverständnisse, Rollenunklarheiten, interpersonelle und interkulturelle Konflikte.
11 Einzelfaktoren zum Verständnis des Distanzerlebens!
Nach dem Modell unterscheiden wir 3 Dimensionen mit insgesamt 11 Einzelfaktoren, die auf das Distanzerleben besonders starken Einfluss haben: Die physische Distanz (Physical), die operative Distanz (Operational) und die soziale Distanz (Affinity). Die physische Distanz ist die naheliegende, an die man sofort denkt, wenn man das Wort Distanz hört. Hinter den operativen Distanzfaktoren verbergen sich konkrete Eigenschaften einer Arbeitssituation, die mit der Gestaltung von Arbeitsprozessen und der Nutzung technischer Möglichkeiten zusammenhängen. Am wenigsten unmittelbar sichtbar sind Faktoren, die mit der Beziehungsgestaltung der Personen (soziale Distanz) zu tun haben. Sie haben aber den größten Einfluss auf das Erleben virtueller Distanz in einem Team und sind schwerer zu beeinflussen als die beiden erstgenannten Dimensionen.
Aus der Zusammenschau aller Faktoren ergibt sich eine Gesamt-Distanz. Je größer diese ist, desto schwieriger ist die Aufgabenbearbeitung. Es gibt keine Blaupause für die Lösung aller Distanzprobleme. Dafür sind die meisten virtuellen Teams in Ihrer Binnenstruktur zu unterschiedlich. Und es gibt keine Quick-Fixes, die man sich gerne wünscht. Ein gewisser Diagnoseaufwand ist Voraussetzung. Die differenzierte Bewertung unterschiedlicher Faktoren erlaubt es dann, Maßnahmen zur Verbesserung zielgerichteter zu planen.
Das wichtigste ist, den „Elefanten, der unsichtbar im Raum steht“ (the elephant in the room) und Distanz schafft oder verstärkt, sichtbar zu machen. In der Beratung beginnen wir mit einer Diagnose, in der wir die einzelnen Distanzfaktoren in allen drei Dimensionen ansprechen, sie grob quantifizieren und dann die Sichtweise und Interpretationen der einzelnen Mitglieder der Einheit besprechen.
In der gemeinsamen Reflexion der Einzeleinschätzungen liegt der größte Nutzen in der Anwendung des Modells, die Quantifizierung der Distanzfaktoren dient lediglich einer schnelleren Übersichtlichkeit.
Gehen wir nun die drei Dimensionen und die dazugehörigen Faktoren im Detail durch. Während alle drei Dimensionen, die physische, die operative und die soziale Distanz, in ihrem Zusammenspiel große Auswirkungen auf den Erfolg der Zusammenarbeit haben, kreiert jede Dimension für sich noch keine große virtuelle Distanz. Sie addieren sich in ihren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit eines Teams oder einer Organisation, etwa nach der “Formel”: Virtuelle Distanz = physische Distanz + operative Distanz + soziale Distanz.
Physische Distanz
Sie umfasst alle Faktoren, die auf realer räumlicher oder zeitlicher sowie struktureller Entfernung beruhen.
Geographische Distanz bezeichnet den Grad der physischen Entfernung zwischen Mitgliedern eines Teams, die zusammenarbeiten. Die Aussage erscheint zunächst banal: Je größer die Entfernung, desto mehr Distanzerleben. Je weiter entfernt, desto weniger ist physischer Kontakt wahrscheinlich. Mit zunehmender Entfernung (über Länder oder Kontinente hinweg) sind dann in aller Regel auch andere Faktoren verbunden, die ebenfalls im Distanzmodell eine Rolle spielen, wie z. B. kulturelle Unterschiede. Wesentlich bei der Bestimmung der geographischen Distanz ist jedoch auch die Verteilung der Teammitglieder. Sind alle Teammitglieder verteilt auf verschiedene Standorte, oder gibt es eine Anhäufung an einem Ort und einzelne Satelliten-Mitglieder an verteilten Orten?
Wie wirkt geographische Distanz? Das Hauptproblem ist, dass unsere vertrauten sozialen Fähigkeiten in der Kommunikationswahrnehmung nicht wirken, denn es können nicht mehr alle Sinne in der Kommunikation beteiligt sein. Insbesondere bei der Erkennung von Absichten des Gesprächspartners erleben wir die Kommunikation über technische Medien als unzureichend. Das führt zu einem allgemeinen Unwohlsein in der Kommunikationssituation. Die gute Nachricht ist: Die negativen Effekte geographischer Distanz können durch Problemlösungen in den anderen Distanzfaktoren kompensiert werden.
Zeitliche Distanz beschreibt den Grad, in dem Teammitglieder durch Zeitzonenunterschiede oder unterschiedliche Arbeitszeiten getrennt sind. Auch hier das Offensichtliche zuerst: Arbeiten Mitarbeiter aus einem Team in verschiedenen Zeitzonen, kann man das Gefühl der Distanz leicht nachvollziehen. Wenn es über Kontinente hinweg geht und Zeitzonenunterschiede von 4 und mehr Stunden die Regel sind, sind die Bürozeiten, die sich überschneiden, relativ gering. Zudem, ist ein Teammitglied in – sagen wir – Indien und der Rest des Teams ist in den USA, befinden sich die Partner in einem deutlich unterschiedlichen Biorhythmus, wenn sie sich treffen. Der eine ist gerade kurz vor dem Feierabend, der andere hat gerade seinen Morgenkaffee auf dem Schreibtisch. Das können Menschen beim normalen Tagesgeschäft oder einfachen Problemlösungen noch relativ leicht kompensieren, bei komplexeren Aufgaben oder ernsten Problemen kann sich die Bearbeitung aber deutlich verzögern, wenn die Zeit für synchrone Kontaktmöglichkeiten stark eingeschränkt ist.
Zeitliche Distanz ist insgesamt eine Herausforderung für die Koordination von Arbeitsprozessen, und es ist schwerer, einen vorhersehbaren Rhythmus in den Arbeitsabläufen zu erstellen.
Organisationsdistanz beschreibt den Grad, in dem alle Teammitglieder derselben Organisation oder Organisationseinheit angehören oder sich das Team aus Mitgliedern unterschiedlicher Organisationseinheiten zusammensetzt. Organisationen schaffen Zusammengehörigkeit bei ihren Mitgliedern, diese unterliegen bestimmten der Organisation eigenen Regeln und Usancen. Es entstehen innere Zirkel, die anderen Teammitglieder sind „draußen“. Belohnungs- und Sanktionsmechanismen sind innerhalb einer Organisationseinheit gleich. Ein immer wieder deutliches Beispiel für Schwierigkeiten sind Matrixorganisationen oder wenn Teams aus Mitgliedern einer Zentrale mit Mitgliedern aus Landesgesellschaften zusammenarbeiten. Je mehr unterschiedliche Berichtslinien in einem Team vertreten sind, desto größer ist die virtuelle Distanz.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Organisationsdistanz durch die Unterschiede in formalisierter organisationaler Zugehörigkeit entsteht. Die Herausforderung ist hier, Einheitsgefühle oder Gesamtteamwahrnehmungen zu stärken.
Operative Distanz
Sie umfasst die kommunikativen Abstände, die durch Alltagsprobleme in den Arbeitsprozessen anwachsen. Im Gegensatz zur physischen ist operationale Distanz „flüssiger“. Sie beschreibt die im operativen Alltag ganz unterschiedlich auftretenden Kommunikationsprobleme, die zu dem Gefühl führen, mit dem Gegenüber nicht richtig verbunden zu sein. Das können technische Probleme sein, Probleme der Arbeitsbelastung oder das Gefühl, nicht einen gleichberechtigten Anteil an einer Unterhaltung im Vergleich zu anderen Organisationsmitgliedern zu haben.
Kommunikationsdistanz. Wie häufig kann sich das Team Face-to–Face treffen? Oder sind alle Treffen immer nur virtuell möglich? Treffen sich Teile des Teams oft Face-to-Face und sind andere immer nur virtuell zugeschaltet? Diese Verhältnisse spielen für die Kommunikationsdistanz eine Rolle. Große Kommunikationsdistanz im Team ist das Resultat, wenn man eine größere Anzahl von weniger bedeutungsvollen Kommunikationssituationen erfahren hat. Wenn es keinen gemeinsamen physischen Raum gibt, sondern die Personen aus unterschiedlichen Settings heraus kommunizieren – die einen Face-to-Face, die anderen virtuell, erschwert das die Entwicklung eines gemeinsamen Kontextes. Auftretende Kommunikationspannen zwischen Teammitgliedern werden dann oft nicht auf sachliche Ursachen zurückgeführt, sondern auf eine (entfernte) Person hin interpretiert, die z. B. eine E-Mail, auf die falsch geantwortet wurde, offenbar „nicht richtig verstanden“ hat, oder „nicht ausreichend kompetent“ ist. Kommunikationsdistanz ergibt sich auch aus der Teamgröße des virtuellen Teams. Im virtuellen Kontext erleben wir Sprungfunktionen in der Anzahl der Teammitglieder: 5-7, 12-15, und über 15. Je größer das Team, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, sich auch mal persönlich intensiv auszutauschen und einen gemeinsamen Kontext zu entwickeln.
Asymmetrie der Verteilung beschreibt die empfundene ungleiche Möglichkeit von Teammitgliedern, auf Ressourcen der Organisation zugreifen zu können oder näher am Machtzentrum zu sein. Teile des Teams treffen sich regelmäßig in Face-to-face–Treffen, andere sind ausschließlich auf virtuelle Kommunikation in ihrer Teamarbeit angewiesen. Das betrifft die gesamte Zusammenarbeit in einem Projekt oder die Art der Kontaktmöglichkeiten an wichtigen Nahtstellen oder in bestimmten Phasen der Zusammenarbeit. Mitarbeiter*innen im Headquarter sind möglicherweise näher an wichtigen Informationen als die Satellitenmitglieder des Teams. Andererseits sind sie aber durch die dauernde Nähe in einer bestimmten Headquarter–Sicht verhaftet. Beides schafft virtuelle Distanz im Gesamtteamempfinden.
Multitasking beschreibt, inwieweit sich alle Teammitglieder vollständig auf die gemeinsame Arbeit und Zusammenarbeit konzentrieren können oder ob sie in mehreren weiteren Kontexten Arbeit leisten müssen und daher ihre Aufmerksamkeit und Verantwortungsgefühl geteilt ist.
Technische Bereitschaft und Unterstützung beschreibt die Möglichkeiten der Teammitglieder, für die Zusammenarbeit Tools und Plattformen zur Verfügung zu haben und sicher und stressfrei mit ihnen umzugehen. Da es immer wieder technische Probleme gibt, Tools ständig Updates erfahren und die virtuelle Arbeitsumgebung ständigen Veränderungen unterliegt, ist es auch wichtig einzubeziehen, inwieweit technische Unterstützung schnell erreichbar ist. Auf einen Nenner gebracht: Wie ist das Wohlgefühl mit der virtuellen Arbeitsumgebung ausgeprägt?
Soziale Distanz
Sie umfasst die emotionalen Abkoppelungen zwischen virtuellen Teammitgliedern, die in einer mangelnden fundamentalen Beziehungsentwicklung begründet sind.
Soziale Distanz entsteht, wenn es uns nicht gelingt, die Art der persönlichen Beziehungen zu Teammitgliedern herzustellen, die unsere sozialen Bedürfnisse erfüllen. Wenn diese Distanzdimension hoch ausgeprägt ist, entsteht eine mächtige Wand, die effektive Zusammenarbeit verhindert. Soziale Distanz hat unter den drei Distanzdimensionen den größten Einfluss. Wenn sie groß ist, gibt es für den einzelnen keinen Grund, an etwas Gemeinsamen mitzuwirken, die Verpflichtung geht verloren. Teammitglieder können nicht von außen „motiviert“ werden. Auf der anderen Seite: Wenn es gelingt, die soziale Distanz im Team zu verringern, verringert sich auch die Distanzempfindung in den anderen Dimensionen, insbesondere in der physischen Distanz.
Kulturelle Distanz beschreibt die „Diversity“ im Team, das Maß, in dem die Teammitglieder die gleichen Werte und Kommunikationsstile teilen. Indikatoren für kulturelle Distanz sind gemischte Teams aus unterschiedlichen Nationalkulturen, professionellen Hintergründen, aber auch verschiedenen Standortkulturen bei geographisch verteilten Teams in der gemeinsamen Gesamtorganisation. Sie unterscheiden sich hinsichtlich tiefliegender moralischer Werte („Was ist richtig, was ist falsch“), der Arbeitsstile und ganz persönlicher internalisierter Werte/der Sicht auf die Welt. Unterschiede in den Werten haben zudem das Risiko, dass Auseinandersetzungen schneller eskalieren, wenn sie offen angesprochen werden und gleichzeitig erhöhen sie die Distanz, wenn sie tabuisiert werden. Die Herausforderung besteht in der guten Moderation des Umgangs mit den Unterschieden.
Gegenseitige Abhängigkeit beschreibt, inwieweit der eigene Erfolg eines jeden Teammitglieds vom Teamerfolg des Gesamtteams abhängig ist oder ob der eigene Beitrag zur Performance in anderen Kontexten gemessen wird. Sehr typisch sind höhere Distanzwerte in Matrixorganisationen, wenn das Team aus Mitgliedern mit Linienvorgesetzten besteht, die selbst nicht Bestandteil der Teamhierarchie sind.
Persönliche Nähe beschreibt den Grad, in dem Teammitglieder einige andere Teammitglieder aus vorhergehenden Arbeitszusammenhängen bereits kennen oder einige Teammitglieder mit anderen persönlich gut bekannt oder befreundet sind. In Teams entstehen so verschiedene Zirkel mit unterschiedlichen Graden der Nähe und Distanz. Je mehr solcher Zirkel es gibt, desto höher ist der Grad der virtuellen Gesamtdistanz (bei gleichzeitiger Nähe innerhalb der Zirkel).
Soziale Position beschreibt den Einfluss, den die formale Rolle eines Teammitglieds in der Organisation hat bzw. den Beitrag, den das Teammitglied zum Teamerfolg leistet oder wie es sich im Team anstrengt und dafür Anerkennung erhält. In virtuellen Teams wird fälschlicherweise oft eher von einem gleichen Status der Teammitglieder ausgegangen als in einem Face-to-face Kontext. Das kollegiale Element wird hervorgehoben. Soziale Unterschiede sind in der virtuellen Plattform nicht so leicht sichtbar, sind aber trotzdem vorhanden. Verkomplizierend wirkt, wenn in internationalen Teams, die auf eine gemeinsame Sprache angewiesen sind (meist Englisch), die Verteilung der Sprachkompetenz nicht der normalen Titel- oder Statushierarchie entspricht. Das verändert in der praktischen Arbeit die Möglichkeiten der Einflussnahme einzelner “Mitspieler”.
Der Blick ist geschärft!
Soweit die differenzierte Beschreibung der Dimensionen und Faktoren, die zur virtuellen Distanz in Teams und Organisationseinheiten beitragen. Es sollte deutlich gemacht werden, dass im praktischen Handeln in der Teamzusammenarbeit von virtuellen Teams viele Einflussfaktoren wirken.
Dabei betonen wir immer wieder, dass es keine einfache Gleichung wie “Weniger Distanz = mehr Leistungsfähigkeit” gibt! Wir müssen unterscheiden zwischen der Betrachtung von Distanz und Beschreibungen von Vielfalt oder Varianz. Dass es oft um eine Balance geht zwischen “zu viel” – “angemessen” – “zu wenig”, ist in Teams zum Thema “Diversity” vielfach untersucht, gilt aber auch bei vielen anderen Faktoren wie beispielsweise “persönliche Nähe” oder “zeitliche Distanz”.
Meist sind wir uns der Vielfalt an Einflüssen auf erfolgreiche virtuelle Zusammenarbeit nicht bewusst, insbesondere wenn man die Kommunikationspartner oder Teammitglieder nie persönlich trifft. Die Distanzfaktoren sind aber wirksam und es wert, sie im Team zu besprechen und an ihnen zu arbeiten.
Wie wir konkret mit diesem Modell vorgehen, zeigen wir in einem der nächsten Artikel unserer Serie zu Distanz und Produktivität.
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*Kommunikationstechnik ist ein “Game Changer” geworden! Darin liegt der entscheidende Innovationsaspekt. Ein Blick zurück in die Geschichte: Auch in früheren Zeiten, sogar vor der Elektrifizierung, gab es raumübergreifende Strukturen, Zusammenarbeit über geographische Distanzen hinweg, und “Teams”. Deren Weg abgestimmt zu handeln basierte aber auf geteilten Prinzipien, vordefinierten Zielen, festen, nicht verhandelbaren Rollen und Regeln. Da diese Basis festgelegt war, konnten z.B. Handelshäuser über weite Entfernungen mit nur sporadischem Austausch (Briefe, Depeschen) trotzdem koordiniert, zielgerichtet und damit erfolgreich handeln.
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